Fiktive Abrechnung: Was sollten Unfallgeschädigte unbedingt beachten?

Von Vitali U.

Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Für eine fiktive Abrechnung sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen.
Für eine fiktive Abrechnung sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen.

Nach einem Unfall stellen sich viele Betroffene die Frage, ob und wie die Instandsetzung des Fahrzeugs abzurechnen ist. Vor allem bei einem unverschuldeten Unfall, bei dem der Schaden nicht allzu groß ist, wählen Fahrzeughalter die Alternative zur Erstattung der tatsächlichen Reparaturkosten – die sogenannte fiktive Abrechnung.

Doch wie werden fiktive Reparaturkosten festgelegt und abgerechnet? Können Sie als Unfallgeschädigter die fiktive Abrechnung immer geltend machen oder gibt es Ausnahmen?

Erfahren Sie im folgenden Ratgeber mehr über die fiktive Schadensabrechnung und wie Sie dabei am besten vorgehen können.

Was ist eine fiktive Abrechnung?

Sie haben als Geschädigter nach einem Verkehrsunfall die Wahl, ob Sie das Fahrzeug reparieren oder ob Sie sich die Reparaturkosten auszahlen lassen möchten. Bei der ersten Variante handelt es sich um eine konkrete Abrechnung, bei der zweiten um eine fiktive. Diese wird im Prozess der Schadensregulierung auch als „Abrechnen auf Gutachtenbasis“ bezeichnet.

Die fiktive Abrechnung von einem Haftpflichtschaden kann eine Alternative sein.
Die fiktive Abrechnung von einem Haftpflichtschaden kann eine Alternative sein.

Für die fiktive Abrechnung ist entscheidend, dass Sie nicht auf Grundlage der tatsächlichen Reparaturkosten erfolgt, sondern auf den fiktiven Maßgaben, die ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen feststellt. Dabei sind neben geschätztem Reparaturaufwand und merkantilem Minderwert der Wiederbeschaffungs- und Restwert von großer Bedeutung.

Der Gutachter wird in der Regel die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt seiner Kalkulation zugrundelegen. In vielen Fällen verweist Sie die Versicherung auf eine günstigere Alternative. Doch in diesem Falle muss der Versicherer beweisen, dass die Instandsetzung den Standards einer Fachwerkstatt entsprechen wird.

Vor allem bei Fahrzeugen bis zu drei Jahren können Sie auf ein mögliches Wegfallen von Herstellergarantien, Gewährleistungs- und Kulanzleistungen verweisen, um die Reparatur bei einer Fachwerkstatt zu begründen.


Das Kfz-Gutachten ist jedoch nur ein Beweismittel und legt den erstattungsfähigen Aufwand nicht bindend fest. Damit können Schätzfehler auch zu Lasten des Geschädigten gehen.

Wichtig! Eine fiktive Abrechnung ist grundsätzlich möglich. Die Versicherung darf nicht darauf verweisen, dass Sie nicht fiktiv abrechnen dürfen.

Was Sie unbedingt bedenken sollten, ist, dass eine fiktive Abrechnung nur Sinn macht, wenn eine Wertminderung oder Verbringungskosten, die bei einer Reparaturdurchführung beispielsweise beim Verbringen des Fahrzeugs in einer Lackierwerkstatt anfallen, entstehen. Diese Kostenfaktoren entfallen meist bei den sogenannten Bagatellschäden. In derartigen Fällen genügt meist ein Kostenvoranschlag, ein Gutachten ist nicht notwendig.

Die Grenzen für Bagatellschäden legen die Versicherungen fest. Bei der Haftpflicht liegt dies in der Regel bei 750 Euro und bei den Voll- beziehungsweise Teilkaskoversicherern bei 2.000 Euro.

Wann ist die fiktive Abrechnung eine gute Alternative?

Eine fiktive Abrechnung nach dem Unfall macht Sinn, wenn Sie Ihr Auto nicht reparieren lassen möchten.
Eine fiktive Abrechnung nach dem Unfall macht Sinn, wenn Sie Ihr Auto nicht reparieren lassen möchten.

Die fiktive Abrechnung ist immer dann eine Alternative, wenn Sie das verunfallte Auto gar nicht oder nur teilweise, dass heißt verkehrssicher, reparieren möchten. Ebenso wird diese Form der Abrechnung oft gewählt, wenn der Schaden selbst repariert wird. In diesem Falle ist die fiktive Abrechnung jedoch nicht verpflichtend.

Die Eigenreparatur ist eine Möglichkeit dieser Form der Abrechnung. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Geschädigte den tatsächlich betriebenen Aufwand für die Instandsetzung abrechnet und nicht den Wert für eine vollständige Fremdreparatur verlangt.

Fiktive Abrechnung: Muss der Versicherer auch die Mehrwertsteuer übernehmen?

Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers muss die Mehrwertsteuer nur dann bezahlen, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Dies trifft in erster Linie bei den Gutachter- oder Anwaltskosten zu.

Eine Ausnahme bildet die Teilreparatur, dass heißt, wenn das verunfallte Fahrzeug nicht vollständig instand gesetzt, sondern nur verkehrssicher repariert wird. Hierbei ist der Mehrwertsteuerbetrag aus der Rechnung zu erstatten. Dies gilt auch im Falle einer Eigenreparatur, wenn es zum Beispiel um den Kauf von Ersatzteilen geht.

Wie erfolgt die Abrechnung auf Basis eines Gutachtens?

Wie bereits erwähnt, ist nach einem Unfall die fiktive Abrechnung von mehreren Faktoren abhängig. Neben den geschätzten Reparaturkosten spielen die Faktoren Wiederbeschaffungswert, Wertminderung und Wiederbeschaffungsaufwand sowie Restwert eine ausschlaggebende Rolle.

Für die fiktive Abrechnung sind u. a. der Wiederbeschaffungswert und die Reparaturkosten wichtig.
Für die fiktive Abrechnung sind u. a. der Wiederbeschaffungswert und die Reparaturkosten wichtig.

Zum weiteren Verständnis hier eine kleine Begriffskunde:

  • geschätzte Reparaturkosten: Diese werden vom Gutachter festgestellt und beschreiben den finanziellen Aufwand, den es bedarf, um das verunfallte Fahrzeug in den Zustand vor dem Verkehrsunfall zu versetzen.
  • merkantiler Minderwert: Dieser liegt immer dann vor, wenn ein potentieller Käufer eines Unfallwagens aufgrund möglicher verborgener Schäden oder eventueller Spätfolgen einen Abschlag vom Preis verlangen kann.
  • Restwert: Jener Wert, den das Fahrzeug nach dem Unfall noch hat.
  • Wiederbeschaffungswert: Der Wert, den das Kfz vor dem Verkehrsunfall hatte.
  • Wiederbeschaffungsaufwand: Dieser ergibt sich aus der Differenz von Wiederbeschaffungs- sowie Restwert und beschreibt den eigentlichen Schadenswert.

Unterschiedliche Szenarien für die fiktive Abrechnung

Liegen die Reparaturkosten und der merkantile Minderwert unter dem Wiederbeschaffungsaufwand, ist die fiktive Abrechnung wohl am unkompliziertesten. Dabei können konkrete Kosten, die durch eine nachträgliche Instandsetzung anfallen, geltend gemacht werden.

Sollte die Summe (aus Kosten für die Instandsetzung und der Wertminderung) höher sein als der Schaden selbst, aber immer noch unter dem Wiederbeschaffungswert liegen, geht es laut Bundesgerichtshof (BGH) noch nicht um einen Totalschaden. Die Ersatzbeschaffung ist hierbei günstiger als die Reparatur. Der Umfang des Schadensersatzes bemisst sich danach, was der Halter mit dem Auto weiterhin macht und wie er den Schaden abrechnen möchte.

Die Versicherung zahlt nur den Wiederbeschaffungswert, wenn Sie den Wagen nicht reparieren lassen und diesen die folgenden sechs Monate auch nicht weiter nutzen. Das heißt, wenn Sie das verunfallte Fahrzeug in der Garage lassen oder gar verkaufen.

Haben Sie innerhalb des halben Jahres das Auto bereits veräußert, können Sie den Schaden – Wiederbeschaffungsaufwand – nur dann bei der Versicherung abrechnen, wenn Sie eine Ausnahme begründen können (wie einen Zweitunfall) oder bezüglich der Unfallkosten in eine konkrete Abrechnung wechseln.

Fiktive Reparaturkosten können auch bei einem Totalschaden abgerechnet werden.
Fiktive Reparaturkosten können auch bei einem Totalschaden abgerechnet werden.

Eine fiktive Abrechnung der Kosten für die Instandsetzung ist dann zulässig, wenn Sie das Auto nicht in die Werkstatt bringen, es aber innerhalb der nächsten sechs Monate nach Unfalltag weiter nutzen. Das Unfallfahrzeug muss verkehrstauglich sein, fahrbereit. Das beinhaltet auch ein Fortbestehen der Zulassung. Eine Teilreparatur kann hierfür erforderlich sein.

Fiktive Abrechnung bei einem Totalschaden

Grundsätzlich ist auch in diesem Szenario eine fiktive Abrechnung nach Gutachten möglich. Es ist darauf hinzuweisen, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden immer dann vorliegt, wenn die Kosten für eine Reparatur den Wiederbeschaffungswert oder Wiederbeschaffungsaufwand übersteigen.

Generell gilt für den Totalschaden, dass die fiktive Abrechnung den Wiederbeschaffungswert ohne Mehrwertsteuer und abzüglich des Restwertes umfasst.

Wichtig! Bei unechtem Totalschaden ist die fiktive Abrechnung auf Basis eines Neuwagens unzulässig.

In welchem Zusammenhang stehen fiktive Abrechnung und Nutzungsausfall

Als Alternative zu einem Mietwagen nach einem Verkehrsunfall hat der Halter die Möglichkeit der Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum, in dem das Fahrzeug nicht gefahren werden kann und/oder in der Werkstatt wiederhergestellt wird.

Für die fiktive Abrechnung ist die Dauer des Nutzungsausfalls entscheidend, die im Gutachten festgehalten wurde. Sollte die Ausfallzeit kürzer sein, ist der tatsächliche zeitliche Rahmen entscheidend.

FAQ: Fiktive Abrechnung

Was ist eine fiktive Abrechnung?

Damit ist die Abrechnung auf Grundlage eines Gutachtens gemeint. So können sich Geschädigte die Reparaturkosten erstatten lassen, wenn Sie z. B. den Unfallschaden selbst reparieren oder auf die Reparatur verzichten.

Auf welcher Grundlage wird die fiktive Abrechnung erstellt?

Neben den geschätzten Reparaturkosten spielen noch weitere Faktoren eine Rolle. Welche das sind, erfahren Sie, wenn Sie hier klicken.

Ist auch nach einem Totalschaden eine fiktive Abrechnung möglich?

Ja. Allerdings umfasst die fiktive Abrechnung bei einem Totalschaden weniger die Reparaturkosten und mehr den Wiederbeschaffungswert.

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Über den Autor

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Vitali U.

Vitali ist seit 2016 Redakteur auf bussgeld-info.de. Seine Karriere begann er nach dem Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften an einer renommierten Universität in Deutschland. Seitdem hat er sich auf das Thema Verkehrsrecht spezialisiert und sein Wissen durch eine einschlägige Ausbildung vertieft.

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