Verfolgungsjagd mit der Polizei: Welche Strafe droht Flüchtigen?

FAQ: Verfolgungsjagd

Gilt eine Verfolgungsjagd mit der Polizei in Deutschland als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat?

Dies hängt von den genauen Umständen ab. Widersetzen Sie sich z. B. dem Haltgebot eines Polizisten, stellt das lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar. Oftmals werden im Rahmen einer Verfolgungsjagd jedoch weitere Gesetzesverstöße begangen, die dann auch einen Straftatbestand erfüllen können.

Welche Straftatbestände können bei einer Verfolgungsjagd vorliegen?

Eine Verfolgungsjagd kann z. B. den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erfüllen. Auch eine Gefährdung des Straßenverkehrs kommt häufig im Zusammenhang mit einer Verfolgungsjagd vor. Wie diese beiden Tatbestände genauer definiert werden, erfahren Sie hier. Möglicherweise werten Gerichte eine Verfolgungsjagd sogar als verbotenes Kraftfahrzeugrennen. Ausführliche Informationen dazu erhalten Sie an dieser Stelle.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine Verfolgungsjagd mit der Polizei?

Je nachdem, welchen Tatbestand die Verfolgungsjagd erfüllt, können Bußgelder, Punkte in Flensburg, Fahrverbote, Geld- oder Freiheitsstrafen drohen. Wann genau welche Sanktionen verhängt werden, können Sie dieser Tabelle entnehmen.

Verfolgungsjagd: Bußgelder und Strafen

Tatbe­standSank­tionen
Ord­nungs­widrig­keiten
Haltgebot eines Polizei­beamten miss­achtet (§ 36 StVO)- 70 € Bußgeld
- 1 Punkt
Geschwin­digkeit über­schritten (§ 3 StVO)- 20 bis 800 € Bußgeld
- evtl. 1 bis 2 Punkte
- evtl. 1 bis 3 Monate Fahr­verbot*
Rotlichtverstoß (§ 37 StVO)- 90 bis 360 € Bußgeld
- 1 bis 2 Punkte
- evtl. 1 Monat Fahr­verbot**
Straf­taten
Widerstand gegen Voll­streckungs­beamte (§ 113 StGB)Geld­strafe oder Freiheits­strafe (bis zu 3 Jahre)
… in besonders schweren FällenFreiheits­strafe (6 Monate bis 5 Jahre)
Gefähr­dung des Straßen­verkehrs (§ 315c StGB)Geld­strafe oder Freiheits­strafe (bis zu 5 Jahre)
… bei Fahr­lässig­keitGeld­strafe oder Freiheits­strafe (bis zu 2 Jahre)
Verbo­tenes Kraft­fahrzeug­rennen (§ 315d StGB)Geld­strafe oder Freiheits­strafe (bis zu 2 Jahre)
… mit Gefähr­dung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder von fremden Sachen von bedeu­tendem WertGeld­strafe oder Freiheits­strafe (bis zu 5 Jahre, bei Fahr­lässig­keit bis zu 3 Jahre)
… mit Tod oder schwerer Gesund­heits­schädi­gung eines anderen MenschenFreiheits­strafe (1 Jahr bis 10 Jahre, in minder schweren Fällen 6 Monate bis 5 Jahre)
… mit Gesund­heits­schädi­gung einer großen Anzahl von MenschenFreiheits­strafe (1 Jahr bis 10 Jahre, in minder schweren Fällen 6 Monate bis 5 Jahre)
* Detaillierte Infor­mationen finden Sie in unserem Rat­geber „Geschwindigkeit”
** Detaillierte Infor­mationen finden Sie in unserem Rat­geber „Rotlichtverstoß”

Verfolgungsjagd: Droht eine Strafe oder nur ein Bußgeld?

Ist eine Verfolgungsjagd mit der Polizei strafbar?
Ist eine Verfolgungsjagd mit der Polizei strafbar?

Wer sich mit der Polizei eine Verfolgungsjagd liefert, verstößt natürlich gegen das Gesetz, aber das heißt nicht automatisch, dass derjenige auch eine Straftat begeht. Denn hier kommt es auf die genauen Umstände an.

Widersetzen Sie sich z. B. einer Polizeikontrolle und leisten Sie dem Haltgebot der Polizei nicht Folge (§ 36 Abs. 5 StVO), stellt das lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar. Für diese können 70 Euro Bußgeld sowie ein Punkt in Flensburg anfallen. Sind Sie Fahranfänger, begehen Sie zudem einen A-Verstoß und müssen mit Probezeitmaßnahmen rechnen.

Häufig geht eine Autoverfolgungsjagd außerdem mit weiteren Ordnungswidrigkeiten einher, wie z. B. Geschwindigkeitsüberschreitungen, Rotlichtverstößen, Missachtungen von Überholverboten etc. Doch selbst wenn für diese Tatbestände erhebliche Bußgelder sowie Punkte und Fahrverbote anfallen können, sind es doch „nur” Ordnungswidrigkeiten. Eine Verfolgungsjagd zieht in Deutschland somit nicht zwingend eine Strafe im juristischen Sinne nach sich. Das heißt jedoch nicht, dass das grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Wann gilt eine Verfolgungsjagd als Straftat?

Unter bestimmten Umständen kann eine Verfolgungsjagd mit der Polizei durchaus als Straftat gewertet werden. So gibt es z. B. den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 des Strafgesetzbuches (StGB). Um diesen zu erfüllen, muss der Flüchtende in der Regel direkte Gewalt gegen die verfolgenden Polizisten anwenden. Das ist bei einer Verfolgungsjagd nicht zwingend der Fall, kann aber vorkommen. Wird dieser Tatbestand erfüllt, drohen eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. In besonders schweren Fällen muss der Täter mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren rechnen.

Oftmals stellt eine Verfolgungsjagd zudem eine Gefährdung des Straßenverkehrs dar. Auch dabei handelt es sich gemäß § 315c StGB um eine Straftat. Der Tatbestand ist dann erfüllt, wenn ein Fahrzeugführer grob verkehrswidrig und rücksichtslos handelt und dabei Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, indem er

  • die Vorfahrt missachtet
  • gegen die Vorschriften zum Überholen verstößt
  • sich an Fußgängerüberwegen falsch verhält
  • an unübersichtlichen Stellen, Kreuzungen, Bahnübergängen oder Straßeneinmündungen zu schnell fährt
  • an unübersichtlichen Stellen nicht auf der rechten Fahrbahnseite fährt
  • auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt
  • haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht vorschriftsgemäß kenntlich macht

Eine Gefährdung des Straßenverkehrs wird mit einer Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren sanktioniert. Liegt Fahrlässigkeit vor, fällt die Strafe etwas milder aus. In diesem Fall kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren verhängt werden.

Verfolgungsjagd als verbotenes Kraftfahrzeugrennen?

Nach Auffassung einiger Gerichte stellt eine Verfolgungsjagd ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen dar.
Nach Auffassung einiger Gerichte stellt eine Verfolgungsjagd ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen dar.

Möglicherweise erfüllt eine Verfolgungsjagd einen weiteren Tatbestand: verbotenes Kraftfahrzeugrennen. Dieser existiert erst seit Oktober 2017 und wird in § 315d StGB definiert. Gemäß diesem muss es sich nicht zwingend um ein Rennen zwischen mehreren Fahrern handeln, damit der Tatbestand erfüllt ist. Es reicht auch aus, wenn der Kraftfahrzeugführer sich „mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen”.

Doch trifft dies auch auf eine Verfolgungsjagd mit der Polizei zu? Das LG Stade verneinte dies im Jahre 2018 (132 Qs 112 Js 13902/18 (88/18)) mit der Begründung, der „Renncharakter” sei nur dann erreicht, wenn der Täter die Absicht verfolgt, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen und sein Fahrzeug bis an die technischen und physikalischen Grenzen zu bringen. Andernfalls handele es sich bei dem Verstoß lediglich um eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung.

Das OLG Stuttgart jedoch war anderer Ansicht (4 Rv 28 Ss 103/19). Laut diesem reiche es aus, wenn ein Fahrzeugführer in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der Sicht-, Straßen- und Verkehrsverhältnisse versucht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Das Ausreizen des technisch Möglichen ist hierfür nicht notwendig. Obendrein müsse das Erreichen einer höchstmöglichen Geschwindigkeit nicht der Hauptgrund sein, um den Tatbestand zu erfüllen.

Mit der Begründung des OLG Stuttgart kann also auch eine Verfolgungsjagd als verbotenes Kraftfahrzeugrennen gewertet werden. Hierfür ist eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vorgesehen. Werden Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, kann die Freiheitsstrafe auch bis zu fünf Jahre (bei Fahrlässigkeit bis zu drei Jahre) betragen. Kommt es zum Tod oder einer schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder werden sehr viele Menschen verletzt, kommt ausschließlich eine Freiheitsstrafe, keine Geldstrafe, in Frage. Diese dauert zwischen einem und zehn Jahren, in minder schweren Fällen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.

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Über den Autor

Gitte - Redakteurin
Gitte H.

Gitte erhielt ihren Master-Abschluss in Germanistik und Kommunikationswissenschaften. Als Redakteurin schreibt sie seit 2017 Ratgeber im Bereich Verkehrsrecht und unterstützt die bussgeld-info.de-Redaktion tatkräftig im Lektorat.

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