„Irren ist menschlich.“ Diese Weisheit macht auch vor dem Strafrecht keinen Halt. Immer wieder kommt es vor, dass Straftäter oder zumindest potentielle Kriminelle bei ihren Handlungen einem Irrtum unterliegen. Doch die Konsequenzen, die sich für derartige Personen ergeben, sind nicht immer die gleichen. Hierbei gilt es stets zu differenzieren, welchem Irrtum der Handelnde tatsächlich unterlegen hat.
Neben dem sogenannten Tatbestandsirrtum, dem Erlaubnisirrtum oder dem Erlaubnistatbestandsirrtum kennt das deutsche Strafrecht eine Vielzahl weiterer Irrtümer. Die Ausgestaltungen und rechtlichen Folgen sind dabei immer unterschiedliche.
Eine Irrtumsvariante stellt der sogenannte Verbotsirrtum dar. Was hierunter im Einzelnen zu verstehen ist, welche gesetzlichen Regelungen hierbei gelten und welche Konsequenzen der Verbotsirrtum für einen Betroffenen nach sich zieht, erfahren Sie neben einigen weiteren Informationen in dem folgenden Ratgeber.
Inhaltsverzeichnis
Verbotsirrtum: Definition im Strafrecht
Vorab soll die Frage geklärt werden, was überhaupt mit dem Begriff „Verbotsirrtum“ gemeint ist.
Von einem Verbotsirrtum ist immer dann die Rede, wenn ein Straftäter über die Widerrechtlichkeit, also über das Verbotensein seines Handelns, irrt.
Hierbei kennt der Täter also die entsprechende einschlägige Ge- oder Verbotsnorm nicht, die er durch seine jeweilige Handlung verletzt hat.
Beispiele:
- Autofahrer A weiß nicht, dass er dem Gesetz zufolge nach einem Unfall zu warten hat, bis Feststellungen über seine Person getroffen werden können, und fährt einfach weiter.
- Person P geht davon aus, im Rahmen von Unglücksfällen müsse keine Hilfe geleistet werden.
Fehlendes Unrechtsbewusstsein: Welche Konsequenzen ergeben sich?
Fraglich ist nunmehr, wie sich der Verbotsirrtum in strafrechtlicher Hinsicht für den jeweiligen Straftäter auswirkt.
In § 17 StGB heißt es:
Fehlt dem Täter bei der Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. […]
Entscheidend ist also, ob der Täter einem vermeidbaren oder einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag.
Unvermeidbarer Verbotsirrtum
§ 17 Satz 1 StGB regelt den Fall eines unvermeidbaren Verbotsirrtums. Die rechtliche Folge ist, dass die Schuld des Täters entfällt.
Als vermeidbar gilt ein Irrtum, wenn das Unrecht der Tat für den jeweiligen Straftäter sowie für jedermann leicht hätte erkannt werden können. Außerdem ist ein Verbotsirrtum dann vermeidbar, wenn sich der Täter nicht mit dem jeweiligen Gesetzesnormen vertraut gemacht hat, obwohl er dazu seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonstigen Umständen zufolge verpflichtet gewesen wäre.
Vermeidbarer Verbotsirrtum
Sofern der Straftäter einem vermeidbaren Verbotsirrtum unterliegt, sind die strafrechtlichen Konsequenzen andere als nach einem unvermeidbaren. In dem Fall entfällt die Schuld des Täters nämlich nicht, wie sich aus § 17 Satz 2 StGB entnehmen lässt.
Stattdessen besteht die Möglichkeit einer Strafmilderung im Sinne des § 49 Absatz 1 StGB. Dies liegt dann aber im Ermessen des Gerichts und ist somit nicht bindend bzw. zwingende Konsequenz.
Analog zu den eben getroffenen Aussagen lässt sich schlussfolgern, dass ein vermeidbarer Verbotsirrtum eben dann vorliegt, wenn der Täter sein Unrecht hätte erkennen können bzw. müssen.“
Umgekehrter Verbotsirrtum
Vom Verbotsirrtum abzugrenzen ist der sogenannte umgekehrte Verbotsirrtum, auch Wahndelikt genannt. Hierbei unterliegt der Betroffene der irrigen Annahme, sein Handeln sei strafbar, obwohl es dies tatsächlich nicht ist. Er nimmt also eine falsche rechtliche Bewertung seines Tuns vor und zwar zu seinen Ungunsten.
Gesetzlich normiert ist der umgekehrte Verbotsirrtum nicht. Rechtsfolge des Wahndelikts ist, dass sich der Handelnde nicht strafbar macht. Insoweit ist eine Abgrenzung zum sogenannten untauglichen Versuch vorzunehmen, der wiederum strafbar ist.
Abgrenzung zum Erlaubnisirrtum
Der Verbotsirrtum ist nicht zu verwechseln mit dem sogenannten Erlaubnisirrtum. Bei diesem glaubt der Handelnde, er unterläge einem Rechtfertigungsgrund, der jedoch tatsächlich nicht bzw. nicht in der vorgestellten Form existiert.
Die Rechtsfolgen vom Erlaubnisirrtum sind dieselben wie beim Verbotsirrtum: Abzustellen ist auf das Merkmal der Vermeidbarkeit. War eine solche nicht gegeben, entfällt auch hier die Schuld. Im Falle einer möglichen Vermeidbarkeit hingegen kann das Gericht nach freiem Ermessen entscheiden, ob es die Strafe nach § 49 Absatz 1 StGB mildert oder nicht.
Verbotsirrtum: Nach welchem Schema erfolgt eine Prüfung?
Die Prüfung vom Verbotsirrtum unterliegt keinem Prüfungsschema im klassischen Sinne. Im Rahmen der Prüfung einer Strafbarkeit wird die Frage nach dem Vorliegen eines Verbotsirrtums innerhalb der Schuld betrachtet und nicht etwa bei der Frage nach dem Vorsatz.
- Unterlag der Handelnde einem Verbotsirrtum nach obiger Definition?
- War der Irrtum vermeidbar?
Fazit
Die strafrechtlichen Irrtümer sind ein breit gefächertes und komplexes Feld. Abgrenzungen sind oft knifflig und gleichzeitig von großer Bedeutung im Hinblick auf die jeweiligen Rechtsfolgen, die sich z. T. auch im Verkehrsrecht aus dem Strafgesetzbuch ergeben. Je nachdem, welcher Irrtum vorliegt, sind die Folgen am Ende unterschiedliche. Auch die Abgrenzung zum untauglichen Versuch ist oftmals entscheidend. Hier gilt es, bei einer strafrechtlichen Prüfung also stets genau hinzuschauen.
FAQ: Verbotsirrtum
Verbotsirrtum heißt, dass sich der Täter über die Rechtswidrigkeit seines Handelns irrt. Zwei Beispiele finden Sie hier. Auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten gibt es diesen Irrtum.
Wer einem solchen Irrtum unterliegt, handelt ohne Unrechtsbewusstsein. Der Täter muss sich aber dennoch vor dem Strafgericht verantworten, wenn er diesen Irrtum hätte vermeiden können. Nur bei einem unvermeidbaren Verbotsirrtum handelt der Täter ohne Schuld und darf daher nicht bestraft werden. Mehr Informationen finden Sie im folgenden Abschnitt.
Bei Straftaten findet § 17 StGB Anwendung. Das Pendant für Ordnungswidrigkeiten regelt § 11 OWiG.